Mit Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty, Robert Blake, Natasha Gregson Wagner, Richard Pryor, Gary Busey, Lucy Butler, Michael Massee, Jack Nance, Jack Kehler, Robert Loggia, Lisa Boyle, Brian Hugh Warner, Twiggy Ramirez
Lost Highway ist ein US-amerikanisch-französischer Psychothriller von David Lynch, der 1996 gedreht wurde und 1997 in die Kinos kam. Seine intensive Wirkung bezieht er sowohl aus einer rätselhaften, psychologisch dichten Handlung als auch aus einer ausdrucksstarken surrealistischen Bildsprache. Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt und die Dramaturgie weist eine Reihe von verwirrenden Elementen auf.
Der Film ist grob in drei Teile geteilt: Fred und Renée stehen im Mittelpunkt des ersten Teils, der bis zur ersten Verwandlung Freds reicht. Im zweiten Teil treten Pete und Alice an die Stelle von Fred und Renée. Der dritte Teil behandelt die Auseinandersetzung zwischen Pete/Fred und Mr. Eddy/Dick Laurent. Die Figur des „Mystery Man“ taucht in allen drei Teilen auf, ebenso Vertreter der Polizei.
Viele Interpreten des Films verstehen die Handlung von der Verwandlung an als Halluzination Freds im Gefängnis, der sich in Pete ein Alter Ego herbei phantasiert, um seine Situation erträglich zu machen und seine Schuld zu leugnen. Pete ist in vielen Details das exakte Gegenstück zu Fred – vor allem ist er sexuell potent und kann Alice, das blonde Gegenstück zu Freds Frau Renée, befriedigen. Immer wieder jedoch scheint das Trauma des Mordes auch in dieser Halluzination hindurch, wenn nämlich Pete selbst Visionen hat, die ihn mit einem Ereignis konfrontieren, das er nicht versteht. Zum Beispiel erzeugt die Musik (Tenorsaxofon Improvisation) im Radio der Autowerkstatt bei Pete heftige Kopfschmerzen – es ist identisch zum Saxofonspiel von Fred im Nachtclub im ersten Drittel des Films. Fred, der eigentliche Pete, verleugnet und verdrängt seine Schuld, die aber auf symbolische Weise wiederkehrt – als das Geheimnis, über das Pete mit seinen Eltern spricht und an das er sich nicht erinnern kann. Die Vision eines brennenden Hauses, die Pete erscheint, ist womöglich eine indirekte Erinnerung an den Mord, während dessen ein brennendes Feuer im Kamin zu sehen ist.
Andy wäre aus psychoanalytischer Sicht dann ein Rivale von Fred, mit dem Renée ihn betrügt, weshalb Pete ihn im zweiten Teil umbringt. Mr. Eddy/Dick Laurent stellt nach iek (SZ vom 2. April 2005) eine obszöne Vaterfigur dar, die ein sexuelles Genießen (Jouissance) verkörpert, zu dem Fred selbst nicht fähig ist. Auf diese phallische Dimension deutet bereits Laurents Name hin: „Dick“ heißt auf Englisch „Schwanz“ bzw. Penis. Als eigentlicher Besitzer von Alice repräsentiert die Vaterfigur Mr. Eddy zugleich ein ödipales Verbot, weshalb er von Fred am Ende durch eine Art Vatermord getötet wird.
Bezüglich seiner Gesamtkonzeption analysiert Robert Blanchet den Film mit Bezug auf iek als Möbiusschleife – als kreisförmiges Gebilde, das kein Ende kennt, wobei aber nach der Kreisbewegung nicht wieder von vorne begonnen wird, sondern eine Veränderung stattgefunden hat. Ähnlich beschreibt auch Georg Seeßlen die Wiederaufnahme des Anfangssatzes am Ende des Films:
„Für Fred Nr. 1 beginnt die Geschichte von vorn, für Fred Nr. 2 geht sie weiter auf der Flucht vor Polizeiwagen, aber anstatt in den Tag rast er ziellos seinen ‚Lost Highway‘ hinab in eine ewig anmutende Nacht, mit dem Schrei eines Wahnsinnigen … Der Teufelskreis hat sich geschlossen, der Weg heraus ist der in die ewige Verdammnis, die Hölle.“
Letztlich ist der Film nur schwer abschließend zu interpretieren, da er eine Vielzahl möglicher Interpretationsansätze bietet. So kann er sowohl psychologisch als Traum-Phantasie und Seelenbild eines unglücklichen Saxophonspielers gelesen werden, wie auch als Mystery- oder Horrorfilm mit „realen“ Ereignissen. David Lynch sagte, man könne den Film interpretieren, aber man solle es nicht tun, sondern ihn in seiner Bildgewalt wirken lassen. So kritisiert er die Haltung vieler Zuschauer:
„Jedes einzelne Element eines Films muß auf Anhieb verstanden werden – und zwar verstanden auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Es ist eine wahre Schande. Es gäbe so viele Orte, an welche sich die Leute begeben könnten, wären sie nicht so eng an diese Beschränkung gebunden.“ (Interview im Rolling Stone, 6. März 1997)
„[eine] Achterbahnfahrt […] Momente ‚reinen‘ Filmemachens […] eine Meisterschaft über Bild und Ton, wie sie seit Blue Velvet nicht mehr zu sehen/zu hören war“ Jonathan Rosenbaum: Chicago Reader
„Unter brachialem Einsatz assoziationsgeladener Bilder, Geräusche und Töne kommuniziert Lynch mit dem Persönlichsten des Einzelnen“ Andreas Thomas: filmrezension.de
"[...] Es gibt jene ersten vierzig Minuten einer schleichenden Ehehölle, die zum Besten gehören, was Lynch je gedreht hat: das Licht wie von Edward Hopper, die Figuren wie von Kafka, die Gesten und Töne wie in einem Gedicht von Robert Frost. Es gibt das Stilleben mit dem kleinen Segelschiff und dem blauen Ball im Kinderplanschbecken, das Pete beim Blick in den Nachbargarten erhascht – ein Schnappschuß der versiegelten Zeit, der Unschuld, die nie wiederkommt. Und es gibt die unglaubliche Patricia Arquette, die […] endlich ihren ganzen Medusen-Zauber ausspielen darf – Lady, Hexe, Hure, Mädchen und Kind; wie Wetterleuchten zucken die Klischees über ihr Gesicht, und selbst in der Umarmung der Männer bleibt sie unberührbar, Ikone einer kalten, irrealen Lust.“ Andreas Kilb: Die Zeit
„Verstörende, äußerst komplexe Reise ins Unheimliche, die mit den Mitteln der Verrätselung und des Horrorfilms den Zuschauer in Bann schlägt. Ein filmisches Meisterwerk, das über viele Fragen der Gegenwart zur Auseinandersetzung zwingt.“ film-dienst