Der Mieter (OT: The Lodger – A Story of the London Fog oder kurz: The Lodger) ist ein britischer Thriller von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1927. Er basiert auf dem Roman Jack the Ripper oder Der Untermieter (The Lodger) von Marie Adelaide Belloc Lowndes. Es handelt sich um den wahrscheinlich bekanntesten Stummfilm Hitchcocks.
Die Londoner Polizei findet eine Tote und bei ihr einen Zettel mit der in ein Dreieck geschriebenen Signatur „The Avenger“. Es ist bereits die siebte blonde Frau, die dem „Rächer“ zum Opfer gefallen ist. Zeugen beschreiben den Täter als einen großen, vermummten Mann. Schnell wird die Nachricht über die Presse verbreitet. In ein Haus, in der das ältere Ehepaar Bunting mit seiner Tochter Daisy wohnt, tritt ein geheimnisvoll wirkender Mann unter dem Vorwand, ein Zimmer mieten zu wollen, ein. Skeptisch inspiziert er das Zimmer und zieht ein. Die Bilder blonder Frauen im Zimmer entsetzen ihn und er lässt sie von der Vermieterin entfernen. Daisy begegnet ihm zunächst mit Zurückhaltung, doch innerhalb weniger Tage macht er sich mehr und mehr bei ihr beliebt. Daisys Freund Joe, ein Polizist, wird unterdessen auf den Fall um den „Avenger“ angesetzt. Er hofft, den Serienmörder bei seiner nächsten Tat zu fassen. Der Mieter erfährt davon, auch von der Freundschaft der beiden.
The Lodger war Hitchcocks erster Thriller und der Film, den er selbst später als „ersten echten Hitchcockfilm“ bezeichnen sollte.
In Der Mieter deuten sich bereits viele in Hitchcocks späterem Werk wiederkehrende Motive und Charaktere an. Allen voran steht das Grundmotiv des unschuldig Verfolgten, das er im Laufe der Jahrzehnte bis hin zu Frenzy (1972) immer wieder variiert. Hinzu kommen die dominante Mutterrolle und der fehlbare, da aus persönlichen Motiven handelnde Polizist. Typische Hitchcock’sche Elemente und Symbole tauchen hier in zentraler Bedeutung auf: Die Handschellen, mit denen der Polizist erst das Mädchen (aus Spaß) und dann den (vermeintlichen) Mörder fesselt; die Treppe in der Wohnung, die symbolisch die beiden Ebenen des Films, die bodenständige, reale Ebene der Familie und die unbekannte, mysteriöse Ebene des Mieters, verbindet; Kreuze, als Kruzifixe oder als Schattenspiel auf dem Gesicht des Mieters, als christliches Symbol von Schuld und Sühne.
Wie bereits in Irrgarten der Leidenschaft experimentierte Hitchcock mit für britische Verhältnisse ungewohnten Kameraeinstellungen und mit Licht- und Schattenspielen. Der Mieter ist stark von der Erzählweise der expressionistischen deutschen Filme der 20er Jahre beeinflusst, die Hitchcock 1925 in Berlin kennenlernte. Der Verleiher und Geldgeber C. M. Woolf, der schon Hitchcocks ersten Film dem britischen Publikum nicht zumuten wollte, lehnte auch den Mieter ab. Produzent Michael Balcon holte den jungen Drehbuchautor und Filmeditor Ivor Montagu zu Hilfe. Hitchcock setzte sich nach anfänglichem Widerwillen mit Montagu zusammen und sie beschlossen kleinere Änderungen. Einzelne Szenen wurden neu gedreht und die Zahl der Zwischentitel auf ein Viertel reduziert. Hitchcock musste danach einräumen, dass der Film dadurch tatsächlich besser geworden war.
Der Film wurde von Presse und Publikum enthusiastisch aufgenommen. Die Zeitschrift Bioscope schrieb im September 1926 nach einer Pressevorführung: „Es ist gut möglich, dass dies der beste britische Film ist, der je entstanden ist.“ Uraufführung war im Februar 1927. Hitchcock war nun ein Star, auch weil er es verstand, neben dem Film auch sich selbst zu vermarkten – für den britischen Markt damals völlig unüblich.
„Alfred Hitchcocks Thriller war 1999 erstmals in sorgfältig rekonstruierter und adäquat viragierter Fassung zu sehen. Dabei offenbart sich der Film in dieser Version als einer der bedeutendsten englischen Stummfilme überhaupt: In der Ökonomie der Bilderzählung geht Hitchcock weit über die deutschen Vorbilder, die er souverän adaptiert, hinaus und schafft einen äußerst intensiven Erzählfluss, der sich deutlich am amerikanischen Kino orientiert.“ Lexikon des internationalen Films