Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens, Deutsches Reich (DVD) + (VHS), 1922
Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Mit Max Schreck, Gustav von Wangenheim, Greta Schröder, Alexander Granach
Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1922 von Friedrich Wilhelm Murnau in fünf Akten. Der Stummfilm ist eine – nicht autorisierte – Adaption von Bram Stokers Roman Dracula und erzählt die Geschichte des Grafen Orlok (Nosferatu), eines Vampirs aus den Karpaten, der in Liebe zur schönen Ellen entbrennt und Schrecken über ihre Heimatstadt Wisborg bringt. Nosferatu gilt als einer der ersten Vertreter des Horrorfilms und übte mit seiner visuellen Gestaltung einen großen Einfluss auf das Genre aus. Zugleich gilt das Werk mit seiner dämonischen Hauptfigur und seiner traumartigen, gequälte Seelenzustände spiegelnden Inszenierung als eines der wichtigsten Werke des Kinos der Weimarer Republik. Der Film sollte nach einem verlorenen Urheberrechtsstreit 1925 vernichtet werden, überlebte aber in unzähligen Schnittversionen und ist heute in mehreren restaurierten Fassungen verfügbar.
Ein Chronist berichtet, wie im Jahr 1838 die Pest in die Hafenstadt Wisborg kam: Der Häusermakler Knock bekommt von einem Grafen Orlok aus den Karpaten den schriftlichen Auftrag, für ihn ein Haus in Wisborg zu suchen. Der Makler, augenscheinlich begeistert von der Anfrage des Grafen, beauftragt seinen jungen Mitarbeiter Thomas Hutter, zu Orlok zu reisen und ihm das halbverfallene Haus gegenüber Hutters Wohnung anzubieten. Hutter ist voller Tatendrang und freut sich sehr auf die Reise. Hutters junge Frau Ellen reagiert voll Sorge und mit dunklen Vorahnungen auf die Reisepläne ihres Mannes. Dieser gibt seine Frau in die Obhut seines Freundes, des Reeders Harding, und macht sich auf den Weg. Bevor er das Schloss des Grafen erreicht, macht er Rast in einem Gasthaus. Die Einheimischen fürchten sich vor Orlok und warnen den jungen Mann, weiterzureisen. Das „Buch der Vampyre“, ein Kompendium über Blutsauger, das Hutter schon bei seiner Abreise aus Wisborg mitgenommen hatte, hätte ihm als Warnung dienen können, doch Hutter schlägt alle Bedenken in den Wind und setzt seine Reise fort. Als ihn schließlich seine Führer in Angst und Panik verlassen, wird er in einem unheimlichen Wald von der mysteriösen Kutsche des Grafen abgeholt und erreicht Orloks düsteres Schloss.
Ungewöhnlich für einen deutschen Film dieser Zeit war die große Anzahl an Außenaufnahmen und die intensive Nutzung real existierender Drehorte. Der Regisseur verweigert sich damit den Kunstwelten des expressionistischen Films, wie sie mit Filmen wie Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, 1920) und Der Golem, wie er in die Welt kam (Paul Wegener und Carl Boese, 1920) in Mode waren. Im Gegensatz dazu waren Murnaus Aufnahmen naturalistisch und enthielten nach Eisner „etwas von dem fast Dokumentarischen gewisser Filme Dowshenkos“. Damit erzielt der Film seine Schauerwirkung durch den Einbruch des Unheimlichen in den Alltag, durch die Bedeutungsumkehrung idyllischer, naturalistisch gefilmter Schauplätze. Gehler und Kasten merken an: „Das Grauen erwächst aus dem Vertrauten, nicht aus dem Abartigen.“
Die Lichtsetzung in Nosferatu ist besonders in den spukhaften Szenen im Low-Key-Stil gestaltet. Nur einzelne Figuren oder Bildbereiche sind gerichtet ausgeleuchtet, während der Rest des Bildes im Dämmerlicht oder im Dunklen bleibt. Dadurch entstehen plastische Schatteneffekte, insbesondere der Körperschatten des Vampirs, der ihm „wie ein böses Omen“ vorauseilt und den szenischen Raum damit ins Off erweitert. Der kunstgeschichtlich geschulte Murnau bezieht sich in seiner Lichtgestaltung nach Silke Beckmanns Meinung auf Vorbilder in der Malerei, namentlich auf Rembrandt, Vermeer, Hendrick ter Brugghen und Frans Hals. Bei den Farbgebungscodes der Viragierung hielt sich Murnau an die Konventionen der damaligen Zeit: die Nachtszenen waren blau eingefärbt, die Innenräume tagsüber sepiabraun und nachts gelborange. Eine Einfärbung in rosa wählte Murnau für die Szenen bei Morgengrauen.
Da die Kamera in Nosferatu zumeist statisch und unbewegt bleibt, arbeitet Murnau mit Bewegung und Staffelung innerhalb des starren Kaders, um das Geschehen zu dynamisieren. Als Orloks Schiff langsam von rechts nach links das Filmbild durchfährt, nutzt Murnau den, so Eisner, „wirkungsmächtige[n] Eindruck der transversalen Bewegung“ zur Spannungsbildung. Dem gleichen Zweck dienen Subjektivierungen des Kamerablicks, etwa wenn der Vampir auf dem Schiff aus der Froschperspektive gefilmt wird oder beim Blick aus Fenstern Teile des Rahmens und der Sprossen ins Bild ragen. Höhepunkt des subjektivierten Blicks sind die Szenen, in denen sich die Vampirfigur – direkt in die Kamera blickend – dem Zuschauer zuwendet und somit die vierte Wand durchbrochen wird: „Der Vampir scheint durch seine Riesenhaftigkeit die Dimensionen der Leinwand zu sprengen und den Zuschauer direkt zu bedrohen.“ Andere Elemente in Murnaus Kamerasprache sind Versuche, mit Schärfentiefe zu arbeiten; so wird etwa der schlafende Hutter mit dem hinter ihm im Türrahmen auftauchenden Vampir in Art einer Inneren Montage in Verbindung gebracht.
Mit über 540 Einstellungen ist Nosferatu ein für die damalige Zeit sehr schnell geschnittener Film. Der Einfluss von David Wark Griffiths revolutionärer Schnittarbeit in Intoleranz (1916) wird deutlich. Gemäß Thomas Elsaesser wird der Tempoeindruck des Zuschauers jedoch dadurch verlangsamt, dass die einzelnen Szenen monolithische Einheiten für sich sind und Murnau keine harmonischen, den Handlungsfluss beschleunigenden Anschlüsse einfügt, also nicht nach den Kriterien der Kontinuitätsmontage schneidet. Der Regisseur weist den Geschehnissen keine eindeutige zeitliche Abfolge zu und vernetzt sie nicht nach Kriterien der Kausalität. Der für den Zuschauer entstehende Eindruck ist der einer „Traum-Logik“, in der Ursache-Wirkungs-Mechanismen außer Kraft gesetzt sind und die Nachvollziehbarkeit der Ereignisse für eine eher psychologisch wirkende Darstellung gegenseitiger Abhängigkeiten und Anziehungen der Figuren in den Hintergrund tritt. Seeßlen und Jung bezeichnen den Film deshalb als „großartiges Stimmungsbild viel mehr denn als Film-‚Erzählung‘“.
Ulrich Gregor und Enno Patalas werten Nosferatu als Quantensprung in Murnaus filmischer Arbeit, Murnaus Talent werde hier „zum ersten Mal in jeder Einstellung sichtbar“. Die Innovation liege in der revolutionären Gestaltung des Vampirs, merkt Lars Penning an, dieser sei „die zweifellos grauenerregendste Figur, die das Kino bis dato kannte“. Für Gunter E. Grimm ist der Film „ohne Zweifel der wirkungsmächtigste der alten Vampirfilme, der bis heute auch auf moderne Filmemacher kaum etwas von seiner Faszination verloren hat“.
Thomas Elsaesser betont den Reiz des Films aus dem Widerstreit zwischen technischer Perfektion und seiner hauptsächlich psychologisch wirkenden Thematik: „Murnaus Poesie war das Ergebnis einer distanzierten, fast schon klinischen Anwendung der technischen Meisterschaft deutscher Photo- und Kameraarbeit auf emotional aufgeladene, mit tiefsitzenden Ängsten und Gefühlen verknüpfte Themen.“ Die traumartige, das Unterbewusstsein ansprechende Inszenierung gebe dem Filme eine „nur schattenhaft entschlüsselbare, verborgene Logik“, diese bewahre dem Film „bis heute starken Appellcharakter“, urteilt Thomas Koebner. Auch Klaus Kreimeier hebt auf diese Filmwirkung ab und bescheinigt Nosferatu eine „Authentizität des Traums – und den fiktiven (das heißt: auf Konventionen beruhenden) Charakter dessen, was wir Wirklichkeit nennen“.
Nosferatu wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung in den Filmkanon aufgenommen.